Jeder für sich, alle für uns
 


Rolf Adolphs. Der Aufschwung...

TOURISMUS II / Kirchturmdenken ist gar nicht schlimm - wenn es ein Ziel hat: die Region bekannter machen. Ein Interview.

Es ist das alte Lied: Wir wissen, wie schön es ist am Niederrhein. Aber Millionen Menschen haben noch nie etwas von uns gehört. Das soll sich ändern. Der Niederrhein auf neuer Tourismusschiene? NRZ-Wir am Niederrhein-Redaktionsleiterin Heike Waldor-Schäfer sprach gestern darüber mit Rolf Adolphs, dem "neuen" Mann am niederrheinischen Touristen-Ruder.

NRZ: Herr Adolphs, Sie sind Geschäftsführer der Touristik Agentur Niederrhein (TAN) mit Sitz in Kleve und Geschäftsführer der Niederrhein Tourismus GmbH mit Sitz in Viersen. Wirtschaftsförderer in Viersen sind Sie auch. Sie haben sich vorgenommen, in den kommenden drei Jahren 100 000 Übernachtungsgäste mehr in die Region zu holen. Vorgenommen hatten sich das auch schon andere...

Rolf Adolphs: Jeder hat so seine Philosophie, wie Tourismus vermarktet werden soll. Lange Zeit glaubte man auch am Niederrhein, man müsse nur einen Regionalverband schaffen, dem reichlich Personal und Geld an die Hand geben, ihn dann gleich auch noch mit einem Buchungs- und Reservierungssystem ausrüsten, und schon klappt´s mit dem Tourismus. Aber das Konzept ist fast überall in die Hosen gegangen.


NRZ: Warum?

Rolf Adolphs: Ein Regionalverband darf sich nicht zu viele Aufgaben stellen. Ich mache seit 16 Jahren Tourismusarbeit für die Region Mittlerer Niederrhein. Ich habe in diesen Jahren viele große Verbände mit beachtlichen Mitteln um Touristen werben und scheitern sehen. Wir sind in Viersen einen anderen Weg gegangen. Und den werden wir am Niederrhein fortsetzen. Wir haben ein einziges Ziel, eine einzige Botschaft zu vermitteln: Der Niederrhein ist eine touristische Destination.


NRZ: Das weiß der Niederrheiner, das wissen einige Niederländer, aber in Bayern kennt man den Niederrhein ebenso wenig wie in Südfrankreich.Rolf Adolphs:

Leider. Gerade mal zwei Prozent der Bundesbürger können mit dem Begriff Region Niederrhein touristisch was anfangen. Da müssen wir ran. Deshalb sind unsere neuen Geschäftsräume am Airport Niederrhein in Weeze ja auch so wichtig. Gemeinsam werben ab heute das deutsch-niederländische Tourismusprojekt 2-Land und die Touristik Agentur Niederrhein um Gäste. Vor allem um irische und britische Gäste.


NRZ: Es hat nicht nur für helle Freude im Kreis Kleve gesorgt, dass die TAN jährlich 150 000 Euro an die Fluglinie Ryanair zahlt, damit auf deren Internetseite eine Verbindung zum Niederrhein Tourismus stattfindet.

Rolf Adolphs: Das ist gut angelegtes Geld. Da ist nicht nur der Link zum Tourismus Niederrhein. Ryanair schickt sechsmal im Jahr mailings an ihre Kunden, registriert eine Millionen Besucher auf ihrer Homepage, die nun immer über die Region Lower Rhine stolpern werden, und sie verschafft uns 270 000 Anschriften. Das ist eine faire Gegenleistung.


NRZ: Am Niederrhein herrscht in Sachen Tourismus viel Kirchturmdenken. Jede Gemeinde vermarktet sich selbst. Es gibt viele kleine touristische Zweckgemeinschaften.

Rolf Adolphs: Ja, das ist doch auch in Ordnung. Ich finde es absolut richtig und in Ordnung, dass jeder versucht, sich selbst am Markt zu orientieren und für sich und seine Region wirbt. Im engsten Binnenmarkt fängt doch die Entwicklung des Wir-Gefühls an.

Gucken Sie mal in die Niederlande. Da hieß es immer: weg von der lokalen Ebene, hin zum übergeordneten regionalen Verband. Das ist schief gegangen, ab 1. Januar 2007 macht auch in Holland jeder wieder Tourismus im Kleinen, in eigener Sache. Was soll daran schlimm sein? Es ist doch Unsinn, wenn kreisangehörige Gemeinden versuchen, sich auf internationalem Parkett zu behaupten. Aber wenn die sich auf der Messe Niederrhein präsentieren, ist das prima.


NRZ: Und der Dachverband tummelt sich dann auf den großen Messen.

Rolf Adolphs: Und macht Kataloge, zum Beispiel. Es geht doch darum, Kräfte zu bündeln, Synergien zu schaffen. Die kleinen Verbände werben um ihre Touristen vor Ort, das Projekt 2-Land, zum Beispiel, trommelt in England und Irland und der Dachverband Niederrhein Tourismus ist auf der ITB in Berlin. Da muss doch der Hotelier aus Hamminkeln nicht auflaufen.

Wir müssen den Menschen ja nicht erklären, dass wir am Niederrhein mit Messer und Gabel essen. Aber wir müssen ihnen erzählen, was wir sind, was wir haben. Wir als Dachverband greifen zurück auf die Fachkräfte und Touristikerfahrenen vor Ort. Keiner kann uns besser sagen als die TAN in Kleve, was für die Region Kleve wichtig ist und was nicht. Und das gleiche gilt für die regionalen Experten in Krefeld, Viersen und Wesel.


NRZ: Der Sitz der Niederrhein Tourismus GmbH ist Viersen. Ziemlich weit weg vom Flughafen Weeze.

Rolf Adolphs: Puh, über eine Autostunde weit weg. Und das zieht sich. Aber wir könnten unser Büro auch in Hongkong haben, das ist nicht ausschlaggebend. Die Vernetzung, die Zusammenarbeit, der Austausch mit den regionalen Anlaufstellen, das ist wichtig.


NRZ: Wo und was ist denn nun eigentlich Niederrhein?

Rolf Adolphs: Ach du Schreck, bitte gestatten Sie mir, dass ich da jetzt passe.


NRZ: Warum?

Rolf Adolphs: Weil das gar nicht so einfach ist und man immer irgendjemandem auf die Füße tritt bei einer Antwort.


NRZ: Ein Versuch?

Rolf Adolphs: Bitte nicht.


NRZ: Es ist nicht so einfach, den Niederrheiner zu beschreiben. Und ihm seine Grenzen zu zeigen.Rolf Adolphs:

Ich bin gerade dabei, eine Ausschreibung auszuarbeiten. Um ein touristisches Leitkonzept für den Niederrhein zu bekommen. Die meisten Leute verwechseln das ja mit einem Marketingkonzept. Das brauchen wir nicht, ich behaupte mal: Das können wir.

Aber ich möchte von den Gästen, von den Kunden wissen, was die mit Niederrhein verbinden. Warum kommen die in die Region, was gefällt ihnen hier.


NRZ: Rad fahren.

Rolf Adolphs:

Ja, natürlich. Aber das allein ist zu dünn. Wandern, Wellness, das alles bieten andere auch, das hat die ganze Welt im Angebot. Andersrum: Wir haben all das an Möglichkeiten, was die anderen auch haben, außer Hochseesegeln und alpines Bergsteigen vielleicht. Wir müssen es nur schlüssig vermarkten.


NRZ: Als Wohlfühlregion Niederrhein, ontspannen tussen Rijn & Maas.

Rolf Adolphs: Genau. Come to visit the Lower Rhine. Lassen Sie uns mal werden und wachsen. Ich habe die Hoffnung, dass dann der eine oder andere zu uns stoßen wird.






21.02.2006