"Ein Witz, wenn‘s nicht so traurig wäre"

Die Sprecher der Mündener Flughafengegner im HNA-Interview: Die Aussagen von Flughafenchef Ries seien geschönt

hann. münden. Geschönt und teilweise nicht der Wahrheit entsprechend: So wertet die Mündener Bürgerinitiative gegen den Ausbau des Flughafens Kassel-Calden Äußerungen von Flughafenchef Jörg Ries in einem überregional verbreiteten Interview mit unserer Zeitung. "Wir glauben, hier muss einiges korrigiert werden", sagten die Sprecher der Flughafengegner, Hans Weichlein und Dr. Wilbrand Krone. Wir fragten nach.

Herr Ries ist sicher, dass die Mitte Deutschlands mit Kassel und Paderborn problemlos zwei Flughafen vertrage. Was halten Sie davon?

Weichlein: Die von Herrn Ries geäußerte Freude über den Ausbau des Flughafens Paderborn und sein in diesem Zusammenhang aufgeführtes Zahlen-Verwirrspiel kann man nur als Ironie bezeichnen. Es handelt sich hier eindeutig um einen knallharten Verdrängungswettbewerb.

Die bereits für Calden von wahrscheinlich denselben Gutachtern geschönte Bedarfsprognose ist wertlos. Vor allem, wenn der Trierer Professor Klophaus daran beteiligt war, der nach eigenem Eingeständnis nur für den Antragsteller positive Aspekte betrachtet und zu "Gutachten" verarbeitet.

Jörg Ries verweist auf andere Regionaflughäfen, die durchaus zeigten, wie man damit Erfolg haben könne.

Krone: Diese Aufzählung - konkret Lübeck-Blankensee, Altenburg-Nobitz und Niederrhein-Weeze - wäre ein Witz, wenn die Realität nicht so traurig wäre.
Blankensee hat zwar die von Calden für 2020 angestrebte Passagierzahl, bedient allerdings fast ausschließlich Billigflieger.

Positiv ist, dass dort lediglich 10 Prozent in öffentlicher Hand sind, die restlichen 90 in ausländischem - genau: schottischem - Besitz.

Und die anderen Flughafenbespiele?

Weichlein: Von Blankensee abgesehen sind sind die beiden anderen von Jörg Ries genannten Flughäfen echte Flops. Thüringens Nonsens-Airport Altenburg-Nobitz wird ausschließlich von Billigfliegern genutzt. Er macht dem wenige Kilometer entfernten, staatlich subventionierten Flughafen Erfurt Kapazitäten abspenstig und muss permanent subventioniert werden. Der Flughafen Niederrhein-Weeze schließlich - eine reine Ryanair-Basis - wurde bereits am 3. Januar 2006 vom Oberverwaltungsgericht Münster geschlossen und darf nur weiter betrieben werden, weil das Urteil noch nicht rechtskräftig ist.


Was folgt daraus für Calden?

Krone: Da gibt es viele Parallelen. Eine wesentliche Begründung für die Betriebsschließung in Weeze durch das OVG Münster ist die mangelhafte Umweltverträglichkeitsprüfung des Projektes - ein Mangel, den unsere Anwälte und unabhängigen Sachverständigen für Calden schon seit langem rügen..



Die Flughafen GmbH aber scheint das nicht zu beeindrucken. Jörg Ries entwirft das Bild von Airport, der summt und brummt wie Frankfurt - nur eben eine Nummer kleiner.

Weichlein: Ja, ja, die Fraport AG Frankfurt. Die weigert sich nicht von ungefähr, den Flughafen Calden als Betreiber zu übernehmen - es sei denn, die zu erwartenden Jahresverluste werden vom Steuerzahler ausgeglichen. Positive Reaktionen von Fluggesellschaften und Reiseveranstalten auf den Planfeststellungsbeschluss kennen wir nicht, wohl aber negative, denn keine einzige Fluggesellschaft will Calden anfliegen. Sogar Ryanair hält sich äußerst bedeckt.


Nach wie vor verwirrend émpfinden die Bürger die immer neuen Aussagen über Nacht- und Frachtflüge. Wie ist Ihr Kenntnisstand?

Krone: Nacht- und Frachtflüge sind laut Jörg Ries Quatsch und barer Unsinn. Seinen Ministerpräsidenten Roland Koch wird’s freuen, erklärte er doch bereits 2003 der CDU-Fraktion im Düsseldorfer Landtag, dass Kassel-Calden "lediglich für den Frachtverkehr, keinesfalls aber für den Linienverkehr ausgebaut wird". Dem NRW- Landtagsabgeordneten Eckhard Uhlenberg hat Roland Koch unmissverständlich erklärt, dass er auf den Neubau Calden nicht verzichten werde, dass aber Paderborn keine Konkurrenz zu seinem Passagierverkehr zu befürchten habe. Die Staatskanzlei hütet eine Vereinbarung mit dem nordhessischen Logistiker GLS, in der von fünfundzwanzig Nachtflügen alleine dieser Gesellschaft die Rede ist, wie ihren Augapfel. Sie wird wissen, warum.


Also rechnen Sie fest damit, dass sich der Raum Hann. Münden auf regen Nachtflugbetrieb einstellen muss, wenn das Projekt auch vor Gericht nicht gestoppt werden kann?

Weichlein: Dass Jörg Ries nicht alleine über Nachtflüge entscheiden kann, ist wahr, das erledigt für ihn das Regierungspräsidium Kassel in bewährter Zusammenarbeit mit der Regionalversammlung. Es ist aber schlichtweg falsch, wenn in diesem Zusammenhang behauptet wird, eine Nachtflugausweitung sei nur nach einem kompletten, neuen Genehmigungsverfahren möglich - es geht durchaus auch ohne. Schließlich genehmigt sich die Fraport AG in Frankfurt durch ihre in der Luftfahrtbehörde beschäftigten Mitarbeiter ihre nächtlichen Landungen selbst, wie eine Fernsehreportage neulich nachwies. Warum solltedas in Calden nicht auch möglich sein?

12.08.2007