RAF-Flugbetrieb 1954 - 1999

Einleitung

Die Frage der sogenannten "Vorbelastung" spielte in der juristischen Auseinandersetzung um den "Airport Weeze" (vormals "Airport Niederrhein" bzw. "Laarbruch") zunächst eine wichtige Rolle; die sogenannte militärische "Vorbelastung" wurde von der Bezirksregierung in der ursprünglichen Fassung der Betriebsgenehmigung für den zivilen Flugplatz Weeze (ab 2003) als "schutzmindernd" eingestellt, was das Münsteraner Oberverwaltungsgericht mit seinem ersten Urteil vom 3. Januar 2006 im Prinzip anerkannt hatte, wenn auch mit anderer Gewichtung der verschiedenen Lärmsegmente. Man war Seitens der Genehmigungsbehörde der Auffassung, dass die hohe Belastung durch den militärischen Flugbetrieb (bis 1999) die Zumutbarkeit des zivilen Folgebetriebs erhöht und die Anwohner dementsprechend weniger Schutz vor Fluglärm erwarten dürfen. Schließlich war der militärische Betrieb wesentlich lärmintensiver als der zivile Flugverkehr. Diese "schutzminderende" Komponente hat das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 16. Oktober 2008 allerdings prinzipiell verworfen. Der zivile Flughafen muss nach Ansicht der Leipziger Bundesrichter völlig unabhängig von der militärischen "Vorbelastung" genehmigungsfähig sein. Das heißt, dass nur noch die aktuelle Geräuschentwicklung des zivilen Flugbetriebes juristisch bewertet werden darf.

Für das weiter laufende Verfahren um die Betriebsgenehmigung des Flughafens Weeze vor dem Oberverwaltungsgericht Münster spielte die Frage der "Vorbelastung" somit keine Rolle mehr. Dennoch hat es nicht nur historischen Wert, die Frage der "Vorbelastung" genauer zu untersuchen. Um zu verstehen, warum der Airport Weeze eine so hohe Akzeptanz in der Bevölkerung genießt (s. Umfragen in der Rubrik "Analysen"), ist ein Blick auf die militärische Vorgeschichte nach wie vor äußerst erhellend.

Die britische Luftwaffe, die Royal Air Force (RAF), hatte den Flugplatz in Weeze von 1954 bis 1999 unter dem Namen "Laarbruch" genutzt. Im Folgenden soll detailliert nachgewiesen werden, wie sich die Vorbelastung in qualitativer und quantitativer Hinsicht aufschlüsselt. Darauf aufbauend erfolgt der Vergleich mit der aktuellen Geräusch-Situation um den Airport Weeze.


1. Zahlen

Die Royal Air Force (RAF) hatte von 1954 bis 1992 rund 60 Jagdflugzeuge auf Laarbruch sta- tioniert, entsprechend der Zahl der vorhandenen Squadrons (frei übersetzt: Staffel). Eine Squadron (Sqn.) war mit ca. 12 bis 16 Flugzeugen ausgerüstet, abhängig von Ausrüstung und taktischem Auftrag; Jagdbomberstaffeln sind bei der RAF meist etwas größer als Jägerstaffeln.

1954 begann der Flugbetrieb mit 4 Staffeln (rund 60 Flugzeuge); zwischenzeitlich waren sogar 5 Staffeln (ungefähr 75 Flugzeuge) vorhanden, so etwa in den Jahren 1955, 1957. In anderen Jahren waren es drei Staffeln (45-50 Flugzeuge), bis sich die Zahl in den 80er Jahren auf rund 60 Flugzeuge und 4 Squadrons einpendelte (Sqn. Nr. 2, 15, 16 und 20). Für den Zeitraum bis 1992 kann daher ein Mittelwert von annähernd 60 Flugzeugen postuliert werden. Laarbruch war damit einer der größten NATO-Flughäfen in Westeuropa (Der Zeit- raum von 1954 bis 1992 wird fortan als Phase I bezeichnet).

1992 kam es im Zusammenhang mit dem Zusammenbruch des Warschauer Paktes und der grundlegenden Änderung des taktischen Auftrages zu einem großen Umbruch. Während vor- her die Jagdbomber (z. B. der "Tornado") dominierten, waren seitdem nur noch zwei Staffeln (genau 26 Jets) Multifunktionsjets vom Typ "Harrier" auf Laarbruch stationiert, bis sie 1999 ganz abgezogen wurden (Der Zeitraum von 1992 bis 1999 wird fortan als Phase II bezeich- net). Von den nach 1992 auf Laarbruch beheimateten Harrier-Jets war jedoch meistens rund die Hälfte der Maschinen abwesend. Im Zusammenhang mit den Konflikten im ehemaligen Jugoslawien (Bosnien, Kosovo) war meist eine Staffel der Harrier aus Weeze "frontnah" in Südeuropa stationiert (z. B. bei der NATO-Mission "Deliberate Guard", Einsatzflugplatz Gioia del Colle, Italien). Die Flugzeuge und das Personal wurden jedoch regelmäßig ausgetauscht; die 3. Sqn. wechselte sich meist mit der 4. Sqn. ab. Die Harrier der RAF Laarbruch waren aber auch andernorts im Einsatz, etwa in Chile, Belize oder auf den Flugzeugträgern der Royal Navy. Auf Laarbruch selbst waren daher in Phase II durchschnittlich nur noch rund 13 Jets anwesend.

Von 1993 bis 1997 war zusätzlich eine Staffel Transporthubschrauber (12 Helikopter) in Weeze beheimatet; davon waren einige Maschinen ebenfalls vorübergehend in Jugoslawien im Einsatz. Laarbruch spielte in Phase II (1992 bis 1999) nur noch die Rolle als Heimat- und Wartungsbasis; rund die Hälfte der Flugzeuge war regelmäßig fern ihrer niederrheinischen "Homebase" unterwegs.


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Die ersten beiden Jahrzehnte auf Laarbruch waren durch die Jets vom Typ "Canberra" geprägt. Hier reihen sich die Maschinen der 69. Sqn vor ihrer Verlegung nach Malta zum Start auf. Laarbruch 1958.
Foto: RAF Laarbruch.


In den 70er Jahren dominierten die Jets vom Typ "Buccaneer" das Geschehen. Im Bild verlassen die letzten Buccaneer der 16. Sqn. Laarbruch, um durch den "Tornado" ersetzt zu werden. Laarbruch, 1984.
Foto: Hal Palmer


Gegen Ende der 80er Jahre war Laarbruch mit seinen rund 65 "Tornados" - neben RAF Brüggen - die mächtigste Airbase der RAF Germany und einer der größten NATO-Flughäfen überhaupt. Vorne ein Jagdbomber der XV. Sqn., dahinter ein Aufklärer der 2. Sqn. Dazwischen erkennt man noch den Schießstand. Laarbruch, 1989.
Foto: Hal Palmer


Die zuletzt auf Laarbruch stationierten
Kampfflugzeuge vom Typ "Harrier" können senkrecht starten und landen und waren daher für die die neue Rolle des RAF-Stützpunktes in der Phase II besonders geeignet. Im Bild ver- lässt einer der letzten Harrier seine verwaiste Heimatbasis. Laarbruch 14. Mai 1999.
Foto: Ron Kellenaers ©