RAF-Flugbetrieb 1954 - 1999

3. Flugbetrieb in der Phase I (1954 bis 1992)

Die für den "Ernstfall" wahrzunehmenden Aufgaben, Tiefflug und Bodenangriff, waren Gegen- stand des militärischen Trainings nach NATO-Standard. Neben einer theoretischen Ausbil- dung fanden regelmäßige Übungsflüge statt. Je nach Auftragslage und Trainingsprogramm konnten das bis zu 7 "Flugtage" pro Woche sein, in der Regel aber 5 Tage (Montag bis Frei- tag), gelegentlich aber auch weniger. Es konnte passieren, dass mehrere Tage hintereinan- der nicht geflogen wurde, in seltenen Fällen bis zu 7 Tage lang.

Bei einem "Flugtag" waren alle einsatzbereiten Maschinen unterwegs, was in der Regel etwa der Hälfte der zur Verfügung stehenden Jets entsprach (30 Stück). Die anderen Maschinen befanden sich in der Wartung, waren defekt oder zu anderen Stützpunkten abgeordnet.

Die einsatzbereiten Maschinen flogen in der Regel kurz hintereinander ab und waren dann längere Zeit unterwegs, im Schnitt etwa zwei Stunden. Nach ihrer Rückkehr wechselte das fliegende Personal und die zweite "Schicht" folgte mit denselben Maschinen. Meist folgte eine dritte und gelegentlich eine vierte Schicht, die bis in die Nacht unterwegs war.

Auf ihrem Übungsflug trainierten die Jagdbomber ("Jabos") verschiedene Manöver unter reali- tätsnahen Bedingungen; dazu gehörten vorzugsweise Tiefstflüge und Scheinangriffe, häufig auf die eigene Basis. Das regelmäßige Training von Tieffliegerangriffen auf Laarbruch erfolgte möglichst realitätsnah, so dass bisweilen auch Simulationssprengmittel eingesetzt wurden. Scharfe Bombenabwürfe fanden dagegen auf speziellen Übungsplätzen statt, so etwa in Nordhorn. Des Weiteren wurden Ausweichmanöver und Luftkampf trainiert; die Rolle "feind- licher Abfangjäger" übernahmen dabei häufig die Maschinen der RAF-Standorte Wildenrath oder Gütersloh. In Wildenrath standen Abfangjäger in ständiger QRA-Bereitschaft (Quick Reaction Alert); auch diese trainierten ihren Part regelmäßig. Bei einer dieser Übungen kam es 1982 sogar zu einem versehentlichen (!) Abschuss; ein mit scharfer Munition bewaffneter QRA-Phantom der RAF-Wildenrath schoss damals einen "Jaguar"-Jet der RAF ab, der auf einem Feld bei Wesel abstürzte. Der Vorfall sollte seinerzeit geheim bleiben, wurde aber durch den "SPIEGEL" aufgedeckt und erhitzte die Gemüter, da schlagartig deutlich wurde, was sich tagtäglich im Luftraum über dem Niederrhein abspielte.

Mit der Rückkehr zum Stützpunkt wurde der letzte Teil des Übungsprogramms absolviert, das nach dem üblichen NATO-Standard ablief. Dabei werden zwei bis vier Übungsanflüge mit Berührung der Startbahn und anschließendem Durchstart ausgeführt ("Roller" bzw. "Touch- and-Go", s. Video 4). Sinn dieser Übungen, von den Briten "circuit training" genannt, war es, das Landen unter verschiedenen Bedingungen zu simulieren (Nachtflug, Ausfall eines Trieb- werkes, Instrumentenlandung, Sichtlandung).

Auf der Heimatbasis war ferner die Möglichkeit gegeben, unter die vorgeschriebene Mindest- flughöhe zu gehen; im Tiefstflug donnerten die Jets über den Platz ("Overshoot", "Low Approach" oder "Base Attack" genannt). Dieses Manöver ist besonders beliebt bei den Pilo- ten und wurde daher auch auf Laarbruch gerne wiederholt, bisweilen auch inoffiziell und un- gezählt, solange der Sprit dafür reichte (s. Video 1 und 2). Zwischendurch wurden immer wieder Platzrunden ("Circuits") über die angrenzenden Gemeinden gedreht, zumal nicht alle Maschinen gleichzeitig landen konnten (s. Video 3). Das beschriebene, wiederholte Über- fliegen des Platzes gehörte zum regulären Ausbildungsprogramm, das in den angrenzenden Ortschaften intensiv wahrgenommen wurde (s. Video 5).

In den 80er Jahren wurden die Platzrunden in der Regel südlich und in unmittelbarer Nach- barschaft des Flugfeldes geflogen. Zunächst berührten oder überflogen die Jets die Runway, meist in Ost-West-Richtung, um dann noch vor Nieuw-Bergen in einer 180-Grad-Kurve gen Osten einzudrehen. Nach Überfliegen der Ortschaft Wemb drehten die Jets über Keylaer und Laar wieder auf Westkurs und führten den nächsten Anflug durch. Mit Einführung der Harrier 1992 und der häufigen Nutzung der nördlichen Runway wurden die Platzrunden fortan über St. Petrusheim, Hülm und die Westbezirke von Weeze geführt (s. Video 5). In etwas größerer Entfernung zum Flugplatz kamen Platzrunden dagegen nur selten vor, etwa bei starker Aus- lastung des Luftraumes im inneren Radius um den Flughafen oder bei Übungsanflügen durch größere Besucher-Flugzeuge, beispielsweise durch die vierstrahligen AWACS-Maschinen aus Geilenkirchen, die regelmäßig und wiederholt Notlandungen auf Laarbruch trainierten. In der Regel blieben die etwas weiter vom Flugplatz entfernten Ortschaften, also etwa Goch, Kevelaer oder Winnekendonk, von Platzrunden weitgehend verschont.

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Eine Buccaneer der 16. Squadron überfliegt
die Heimatbasis Laarbruch nach Rückkehr von einem Übungsflug in geringer Höhe; die Trieb- werke laufen auf Hochtouren. Man erkennt deutlich, dass das Fahrwerk eingefahren ist und die Maschine die Runway quert, also weder startet noch landet. Laarbruch 1982.
Foto: RAF Laarbruch. Vgl. Video 1.

VIDEO 1
Überflug Buccaneer/Start Tornado

VIDEO 2
Überflug Phantom (1989)


Gemischter Verband Tornados, u. a. der 13., 16. und 2. Sqn. sowie Maschinen, die noch mit Wüstentarnanstrich versehen sind. Überflug Weeze, 1991. Foto: Hal Palmer

VIDEO 3
Landungen Tornado (1989)

VIDEO 4
"Touch-and-Go" Tornado (1989)


Hochbetrieb auch Laarbruch; während die Jets der vorausgehenden "Schicht" noch landen, reihen sich die nächsten Tornados bereits wieder zum Start auf.
Foto: Jürgen Knizia, 1991

VIDEO 5 erneuert
"Overshoot" Harrier (1994) mit anschließender Platzrunde (Nordschleife)