RAF-Flugbetrieb 1954 - 1999

9. Fluglärm am Niederrhein im Wandel der Zeit

In der Phase I des Bestehens von RAF Laarbruch wurde auf Lärmschutz zunächst keinerlei Rücksicht genommen. Bis zu Beginn der 70er Jahre war es sogar üblich, dass die gestar- teten Jets schnell die Schallmauer durchbrachen. Das dabei zu vernehmende Geräusch glich dem Donner bei einem nahen Gewitter. Da diese Schallmauerdurchbrüche extrem weit zu hören waren, konnte man vorher oft kein Flugzeug dazu hören; der Donner kam gewisser- maßen aus "heiterem Himmel" und sorgte bisweilen für Panik, besonders bei Kindern.

Es war Alltag, dass der Flugplatz Laarbruch im Zentrum fliegerischer Aktivitäten eigener und fremder Maschinen lag. Davon waren die Umliegergemeinden Weeze, Bergen und Kevelaer in besonderem Maße betroffen.

Beliebte Übungsgebiete der RAF waren der Niederrhein und angrenzende Gebiete. Erst im Zuge immer lauter werdender Bürger-Proteste Mitte der 80er Jahre ging die RAF verstärkt dazu über, die Übungsflüge über die Nordsee und bis nach Schottland zu führen, selbst wenn die Starts und Landungen auf den RAF-Stützpunkten in Deutschland erfolgten. Der zunehmende Widerstand in der Bevölkerung führte zum Ende der 80er Jahre auch dazu, dass die Mindestflughöhe für Militärjets von 80 auf 150 Meter heraufgesetzt wurde. Der Absturz eines A 10-Jagdbombers der USAF in Remscheid im Dezember 1988 führte zum Verbot von Tiefstflügen über größeren Städten. Der deutsche Luftraum wurde dadurch zuneh- mend unattraktiv für die NATO-Streitkräfte; die schrittweise Auslagerung, insbesondere der Tiefstflüge, war die Konsequenz, die schon zu Beginn 90er Jahre zu einer spürbaren Ent- lastung der Bevölkerung am Niederrhein führte. Dies war auch einer der Gründe, warum die RAF ihre lärmintensiven Tornado-Jagdbomber 1992 aus Laarbruch abzog und durch Harrier- Multifunktionsflugzeuge ersetzte, für die Tiefflugtraining keine so herausragende Rolle spiel- te.

Um Laarbruch wurde es seit 1992 erheblich stiller; auch die Nutzung des lokalen Luftraumes durch andere NATO-Flugzeuge war stark rückläufig. Dies lässt sich wieder eindrucksvoll an den Zahlen aus Gütersloh nachvollziehen. In der flugintensiven Zeit bis zum Zusammenbruch des Warschauer Bündnissystems (Phase I) wurden im statistischen Mittel, also unter Einbeziehung flugfreier Tage, über 200 Flüge (Flugbewegungen) pro Tag registriert. Danach sank die Zahl deutlich; 1993 wurde der Flugbetrieb der RAF in Gütersloh eingestellt (Quelle: http://www.ee.fh-lippe.de/umblick/guetersloh/kap_c/09/index.html). Da im Vergleichszeit- raum auf Laarbruch mehr als doppelt so viele Kampfjets stationiert waren (ca. 65 statt 26, aber keine Helikopter), darf die Zahl der täglichen Flugbewegungen in Weeze deutlich höher angesetzt werden. Berücksichtigt man - wie erläutert - die Größe der einzelnen Staffeln in Laarbruch und Gütersloh, ihren taktischen Auftrag und ihr Anforderungsprofil, was insbeson- dere bei den Helikoptern mit deutlich weniger Flugbewegungen zu Buche schlägt, so darf mindestens von einem um etwa 25 - 35% höheren Wert für Weeze ausgegangen werden. Der statistische Mittelwert für offiziell gezählte Flugbewegungen der RAF Laarbruch wird daher, niedrig kalkuliert, in der Phase I an die 300 herangereicht haben. Unter Anrechnung flugfreier oder flugarmer Tage dürften daher an den knapp 200 Tagen mit vollem Ausbildungs- programm Werte mit rund 500 Flugbewegungen/Tag regelmäßig erreicht und gelegentlich sogar übertroffen worden sein.

Mit der Schließung von RAF-Laarbruch trat eine Ruhe ein, die für die Weezer völlig unge- wohnt war. Die Wiederaufnahme des - nunmehr zivilen - Flugbetriebes im Jahre 2003 stieß daher bei den unmittelbar betroffenen Weezern auf breiteste Zustimmung (s. Umfragen unter der Rubrik "Analysen"), da die neue Geräuschentwicklung nicht im Entferntesten an das heranreicht, was die Weezer in 46 Jahren RAF-Flugbetrieb gewohnt waren. Statt rund 500 Flugbewegungen/Flugtag zu Zeiten der RAF in Phase I schwanken die Zahlen für Weeze aktuell zwischen rund 14 (Juli 2005) und maximal 40 Flugbewegungen pro Tag (Sommer 2004, noch mit VBird-Anteil).

In diesem Zusammenhang sei ein letzter Blick auf die Situation in Gütersloh erlaubt. Hier gab es schon frühzeitig eine organisierte Gegnerschaft, die bereits in den 80er Jahren Lärm- messungen vorgenommen hat. Anders als in Weeze ging der Flugbetrieb der RAF Gütersloh fast nahtlos in eine kombinierte Nutzung des Flughafens durch Zivilmaschinen und Heeres- flieger der Royal Army über. Hier sind seither kontingentiert Starts und Landungen für zivile Maschinen erlaubt, die ein Gewicht von 20 Tonnen nicht überschreiten. Dazu wird in der Untersuchung der Fachhochschule Lippe festgestellt: "Die Geräuscheinwirkung durch diese Flugzeuge ist jedoch im Vergleich [zu den Harriern der RAF] so gering, dass sie von den installierten Messanlagen nicht erfasst werden." Auch die Helikopter der Royal Army fallen nicht mehr stark ins Gewicht, da sie aus allen Richtungen einfliegen (bzw. in alle Richtungen abfliegen) und bewohntes Gebiet meiden können; die Flexibilität der Helikopter erlaubt eine größere Streuung der Überflüge. Die Messgeräte wurden daher stillgelegt und abgebaut, und die Organisation der Flughafenkritiker hat sich daraufhin aufgelöst. (Quelle: http://www.ee.fh-lippe.de/umblick/guetersloh/kap_i/03/index.html)

Wenn es heute noch Beschwerden über Fluglärm am Niederrhein gibt, dann ist die Ursache dafür nur noch in den wenigsten Fällen bei dem Weezer Flughafen zu suchen. Dies räumen sogar die Gegner des Projekts ein (s. Aussage von K. Laqeuer in der RP vom 13.3.2004, zu finden im "Pressespiegel", Archiv März 2004). Zahllose sogenannte "Luftstraßen" führen über den Niederrhein. Die Maschinen, die beispielsweise Amsterdam oder Düsseldorf anfliegen, haben über dem Niederrhein längst ihre Reiseflughöhe verlassen und sind dann, je nach Wind und Wetterlage, gut zu hören.

Darüber hinaus fliegen auch heutzutage noch NATO-Jets am Niederrhein, wenngleich in deutlich geringerer Zahl als vor 1993. Besonders die "Tornados" der Bundesluftwaffe aus Nör- venich bei Köln, aber auch niederländische F-16-Jäger aus dem grenznahen NATO- Flug- hafen Volkel (westlich Gennep) sind immer wieder zu Gast in der Region, selbst am späten Abend. Gelegentlich werden Maschinen der RAF, der US-Luftwaffe oder anderer Verbündeter gesichtet. Trotz einer offiziellen, nicht immer eingehaltenen vorgeschriebenen Mindestflug- höhe von 450 Metern erzeugen diese Kampfflugzeuge immer noch einen Lärmpegel von bis zu 102 db(A), wie aus einer Untersuchung von Fluglärmgegnern in Brandenburg hervorgeht (Quelle: http://www.epd.de/ost/ost_index_16825.htm). Die Aktionsgemeinschaft "Stopp- Laarbruch" hat an ihren Stationen in der Einflugschneise des Flughafens Weeze im Februar 2004 Werte gemessen zwischen 75 und 85 db(A) (Quelle: www.dfld.de) für Jets, die Laar- bruch anfliegen oder von dort starten. In diesem Zeitraum gelegentlich auftretende Messwer- te um 95 db(A) können auf vorbeifliegende Militärjets zurückgeführt werden (neuerdings mel- den die Messstationen erstaunlicher Weise kontinuierlich höhere Werte, obwohl sich die Rahmenbedingungen nicht geändert haben). Dass diese Militärjets bei den Messungen deut- lich zu Buche schlagen, räumt selbst die Sprecherin der Flughafengegner ein (s. RP vom 13.3.2004). Am 4. Mai 2004 um 12.18 Uhr erfolgte beispielsweise der Überflug eines "Torna- do-Jets" über die Messstation Kevelaer (s. www.dfld.de). Es handelte sich dabei um den "Tornado" der Royal Air Force, der anlässlich des Flughafenfestes zu Gast in Weeze war. Nach dem Start gen Westen musste er - wie die zivilen Maschinen - die von der Flug- sicherung vorgeschriebene Rechtskurve fliegen, die ihn in die Nähe der Messstation der Flughafengegner führte. Der Jagdbomber wurde mit dem Tages-Spitzenwert von 86 db(A) registriert, während die im Zusammenhang mit Laarbruch gemessenen zivilen Maschinen mit Werten zwischen 60 und 76 db(A) festgehalten wurden. Dies ist umso bemerkenswerter, da der Jet aufgrund seiner Leistungsstärke bereits seine vorgesehene Flughöhe erreicht hatte und damit einen "normalen" Vorbeiflug durchgeführt hat; die zivilen Maschinen im Anflug auf den Airport Weeze fliegen die Station deutlich niedriger und punktgenau an, während der RAF-Tornado die Station am 4. 5. 2004 seitlich, höher und damit in weitaus größerer Ent- fernung passierte. Bei einem Anflug wie die Zivilmaschinen hätte der "Tornado" mit noch höheren Werten zu Buche geschlagen

Die 2004 ermittelten Mess-Ergebnisse wurden 2005 eindrucksvoll bestätigt. Am 23. Mai verließen zwei der Kampfjets, die auf dem Airport-Festival (21.-22.5.2005) ausgestellt waren, den Airport Weeze in Richtung Osten. Um 10.36 Uhr startete der „Harrier“, und um 10.56 verließ der „Tornado“ den Flughafen. Bei den vom "Deutschen Fluglärmdienst" (www.dfld.de) vorgenommenen Messungen an der Station Weeze erzielten diese beiden Flugzeuge die mit Abstand höchsten Werte. Bemerkenswert dabei ist, dass der Tornado den maximalen Messbereich von 100 dB(A) sogar überschritten hat, was seit Beginn der Aufzeichnungen noch nie der Fall war. Die anderen Flugbewegungen des Tages wurden mit Werten um 70 dB(A) gemessen.

Aus den dargelegten Gründen darf daher geschlossen werden, dass die auch heute noch am Niederrhein auftauchenden Militärflieger um ein Vielfaches lauter sind als die Maschinen, die mit dem Airport Weeze in Verbindung gebracht werden dürfen. Die heutzutage nur noch ge- legentlich auftauchenden Militärflieger lassen allerdings erahnen, welchem Lärm die Bevölke- rung am Niederrhein vor dem Zusammenbruch des Warschauer Paktes regelmäßig ausge- setzt war, als dort noch ein Vielfaches an Militärflugzeugen unterwegs war.

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Besonders laut waren die von 1971 bis 84 auf Laarbruch stationierten "Buccaneer". Bei der Landung musste der "Banana" genannte Flugzeugtyp kurzfristig vollen Schub geben, um mit Hilfe einer speziellen Umlenktechnik genug Auftrieb zu gewinnen. In Weeze nannte man sie deswegen "Heulboje". Im Bild startet eine Gruppe Buccaneer der 16. Sqn. Im Hintergrund der Schießstand, Laarbruch 1982.
Foto: Hal Palmer.


Tiefflugrealität Mitte der 80er Jahre. Eine For- mation RAF-Jets vom Typ Jaguar im Tiefstflug über dem Niederrhein. Vorne eine Maschine der 2. Sqn., die bis 1991 auf Laarbruch statio- niert war. Foto: Clive Brooks, um 1985.


Seit 1999 starteten die letzten Jets der RAF Germany nur noch, um ihr Flugtraining über
der Nordsee und England abzuwickeln. Im Bild ein Tornado 17. Sqn. der RAF Brüggen kurz nach dem Start mit Nachbrenner. Die Maschine
fliegt sofort in Richtung Westen. Brüggen, um 1999. Foto: Ron Kellenaers ©


Tornado im Luftraum bei Uedem. Die Schwenkflügel sind zurückgefahren, und
der Nachbrenner ist erkennbar aktiv. Der Jet beschleunigt in einer Flughöhe von rund 500 Metern und verursacht dadurch eine Lärmbelastung, die jeden Ziviljet in den Schatten stellt. Uedem 2003.
Foto: Ernst Macherey.


Eine Boeing 747 im Steigflug aus Amsterdam kommend. Die Maschine befindet sich noch weit unter ihrer Reiseflughöhe (10.000 - 12.000 Meter)
, geschätzte Höhe: ca. 4000 Meter. Die Maschine überquert den Airport Niederrhein und ist deutlich zu hören.
Foto: Andreas Imhof, 2003.


Eine Gruppe Tornados über dem Niederrhein bei Uedem. Es handelt sich vermutlich um Bundeswehrmaschinen vom Luftwaffen- stützpunkt Nörvenich, die regelmäßig über dem Niederrhein trainieren. Flughöhe ca. 500 Meter. Uedem 2003. Foto: Ernst Macherey


Nach einen Freundschaftsbesuch zum Flug- hafenfest verlässt der RAF-Tornado der 2. Sqn. am 4. Mai 2004 den Flughafen Weeze; der- selbe Jet war mit der 2. Sqn. bis 1991 auf Laarbruch stationiert. Die Maschine startetet zunächst in Richtung Westen/NL. Danach wurde die obligatorische Rechtskurve geflogen. Der von der Flugsicherung vorgegebene Kurs führte in einem Bogen via Weeze über die Mess- station der Flughafengegner in Winnekendonk.
Foto: Andreas Imhof, 4. 5. 2004.

oto: Ernst Macherey

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