Zu früh, um abzuheben



Bei der Boston Consulting ist man fasziniert von einem neuen Großflughafen für NRW. Garzweiler gilt als denkbar. Doch es gibt Vorbehalte - in der Politik und vor allem beim Düsseldorfer Flughafen
GROSSFLUGHAFEN GARZWEILER Essen. "Die Idee ist faszinierend", sagt Dieter Heuskel. Der Geschäftsführer der Wirtschaftsberatung Boston Consulting in Düsseldorf hat manche Studie über Flughäfen und deren Wirkung auf das Umland verfasst. Doch die Vorstellung von einem neuen Großflughafen für NRW entzückt ihn besonders.

Den ehemaligen Braunkohletagebau Garzweiler hält er dabei als Standort für denkbar. Die Fläche liegt vor den Toren Düsseldorfs sowie nach Köln, Aachen und Bonn sowie nach Belgien und in die Niederlande. Außerdem ist sie wegen des Kohleabbaus dünn besiedelt.


Ob dieser Standort indes auch für die Unternehmen im Ruhrgebiet interessant ist, lässt Peter Lampe, Geschäftsführer des Initiativkreises Ruhrgebiet offen. "Wir haben uns mit Mikrostandorten nicht befasst", sagt Lampe ausweichend und nennt dann neben dem Standort Garzweiler auch die alternativen Regionen Münsterland und Niederrhein. Das dies wenig konkret ist, überrascht, war es doch der Initiativkreis, der ein Strategiepapier verfasst hat, in dem er sich mit den Möglichkeiten eines neuen Großflughafens in NRW auseinandersetzt.

Wenn heute der Initiativkreis auf dem Essener Industriedenkmal Zeche Zollverein bei einem großen Aufschlag die Zukunftsstrategien für die Metropole Ruhr vorstellt, ist auch der mögliche neue Flughafen eines der zentralen Themen. Das macht Sinn, schließlich sind neben Kanzlerin Angela Merkel 400 weitere hochrangige Gäste aus Wirtschaft und Politik anwesend.

Die NRW-Politik zeigte in den vergangenen Jahren indes wenig Interesse, dieses große Fass aufzumachen. Bislang zeigt man sich - zumindest offiziell - zufrieden mit der dezentralen Aufteilung durch die größeren Flughäfen Düsseldorf und Köln/Bonn sowie weiterer reagionaler Flughäfen, etwa in Dortmund oder Münster. "Wir sind im Luftverkehr in NRW gut aufgestellt. Diese Infrastruktur gewährleistet eine Versorgung wie sie zurzeit gebraucht wird", sagt Landesverkehrsminister Oliver Wittke (CDU) der WAZ. Allerdings fügt er vorsichtig hinzu, auch andere Konzepte "in aller Ruhe" zu analysieren.

Christoph Blume, Chef des Düsseldorfer Flughafens, zeigt sich angesicht der vom Initiativkreis angestoßenen Debatte gar nicht erfreut. Einmal, weil er selbst Mitglied im Initiativkreis ist und dazu nicht befragt wurde. Zudem würde ein neuer Großflughafen wahrscheinlich sogar das Aus für Düsseldorf und die anderen Standorte in NRW bedeuten.

"Es gibt in Deutschland keinen Bedarf für ein neues großes Drehkreuz", sagt Blume und verweist auf neue interkontinentale Flugangebote von Düsseldorf aus oder auf die gute Infrastruktur mit Schiene und Straße. Die sei in Garzweiler nicht gegeben, meint Blume. Die Überlegungen des Initiativkreises zu einem neuen Großflughafen kommen aus der Sicht Blumes etwa 20 Jahre zu spät. Die strategischen Entscheidungen der nationalen Fluggesellschaften seien mit den Drehkreuzen Frankfurt, München und seit neuestem Düsseldorf längst gefallen. "Für die nächsten 15 Jahre kann der Bedarf an diesen Standorten auch ohne einen neuen Großflughafen gedeckt werden."

Überlegungen früherer Tage, den Flughafen Düsseldorf als erweiterten Messestandort umzufunktionieren, hält Blume für illusorisch. Woanders würden die Messen in die Nähe der Flughäfen gebaut, um beste Verkehrsanbindung zu gewährleisten. Hier würde man den Flughafen von der Messe wegnehmen. "Das macht keinen Sinn."

In Köln/Bonn sieht man durchaus Handlungsbedarf. "Es ist richtig, dass NRW mit seinen Luftverkehrsanbindungen hinterherhinkt", sagt ein Sprecher. Es fehle an ausreichenden interkontiontalen Verbindungen. Um dieses Problem zu beheben, bedürfe es nicht eines neuen Großflughafens. Der Sprecher sieht in der Lufthansa die Schuldige. Sie habe sich auf Frankfurt und Müchen als Interkont-Flughäfen konzentriert.

Die für den Braunkohletagebau Garzweiler zuständige RWE-Tochter Power sieht sich bei der Diskussion unterdessen außen vor. Dort geht man bislang von einer Renaturierung der abgebaggerten Gebiete aus. "Alles andere liegt nicht in unserer Hand", sagte ein Sprecher.

Derweil bringt sich der Airport Niederrhein bei der Diskussion in Position. Wenn es um die Ausweitung bestehender Flächen geht, sieht Geschäftsführer Ludger van Bebber keine Probleme "Dann gehen wir eben auf den nächsten Acker", sagt er.


15.10.2007 Von Wolfgang Pott