Auszeit am PlattenseeManchmal hat frau sich einfach eine Auszeit
verdient. Keine Kinder, kein Bügeln, kein Wecker, der morgens um 6 Uhr
gnadenlos das Ende der Nacht einläutet. Drei Tage Wellness in Ungarn. Hört
sich gut an? Finde ich auch. Zumal wenn der Urlaub gleich vor der Haustüre
beginnt.
Tag 1: Zu neuen Ufern
Stau auf der A 40. Für mich zum Glück kein Thema. In
gemütlichen 25 Minuten bin ich am Flughafen Niederrhein in Weeze und parke
für kleines Geld einen kurzen Fußmarsch von meinem Wellness- Wochenende
entfernt. Flott Gepäck abgeben, Passkontrolle und Sicherheitscheck. Nach
fünf Minuten sitze ich in der Abflughalle - und vergesse schon jetzt alles,
was mit meinem Alltag zu tun hat. Keine zwei Stunden dauert der Flug mit
Ryanair in eine andere Welt. Wir landen 20 Minuten vor der planmäßigen
Ankunftszeit in Sármellék auf dem Balaton-Airport. Schon auf der
Rolltreppe begrüßt mich ein intensiver Akazienduft. Typisch für diese
Jahreszeit.
Rund 20 Autominuten entfernt liegt Zalakaros, die kleinste Stadt Ungarns.
Meine erste Station ist das in vielen Reiseführern angepriesene Heilbad
Grànit in Zalakaros.
Berühmt ist es wegen seines gesunden Heilwassers mit einem außergewöhnlich
hohen Jodid- Natrium- und Schwefelanteil.
Mich locken die großzügigen Wasserlandschaften und die Finnischen Saunen.
Kann man Stress wohl einfach ausschwitzen? Bei mir klappt’s. Am Abend relaxe
ich im Karos Spa einfach weiter. Frisches Gemüse und knackiger Salat,
gewürzt mit einer scharfen Chilli-Sauce, dazu zartes Lammfleisch. Der in
Zalakaros angebaute Királyleányka, ein schmackhafter Weißwein, verhilft mir
zu einer angenehmen Bettschwere. Und an meine 1.600 Kilometer entfernte
Heimat denke ich jetzt auch nicht mehr.
Tag 2: Seele baumeln lassen
Mein Morgen beginnt mit einem ausgiebigen Frühstück. Die Auswahl ist groß -
schon bei den Brotsorten fällt mir die Entscheidung schwer. Der Kaffee
schmeckt ganz anders als in Deutschland. Irgendwie nach Süden. Lecker. Und
schon steht die nächste Qual der Wahl an: Thalassotherapie,
Gesichtsbehandlung, Schlammpackung, Elektroanwendung? Ich gönne mir ganz
bodenständig eine entspannende Ganzkörpermassage. Ein schöner Mann begrüßt
mich mit einem herzlichen „Guten Morgen“. Der ganze Balaton spricht Deutsch.
Bei Kerzenlicht und Vanilleduft schalte ich einfach ab und genieße. Ich will
nie wieder aufstehen. Als ich das dem netten jungen Mann erzähle, schmunzelt
er und nickt wissend.
Mittags mache ich mich auf den Weg nach Hévíz. Die kleine Kurstadt hat
sich mit ihrem 4,4 Hektar großen Heilsee einen Namen gemacht. Bei
Wassertemperaturen um die 33 Grad drehe ich eine kleine Runde. Länger als 20
Minuten sollte man allerdings nicht im See bleiben - ich merke schnell,
warum. Es ist nämlich ganz schön anstrengend. Schwefel, Radium und
Mineralstoffe schlauchen ganz schön. Ist aber gesund. Bezaubernd ist der
Anblick der Seerosen, die hier besonders üppig ausgefallen sind.
Gelten eigentlich zwei Massagen an einem Tag schon als dekadent? Ich finde
nicht. Im NaturMed Hotel Carbona probiere ich es mit einer Shiatsu-Druck-Massage.
Stärkt Lebensenergie und erfrischt den Geist. Genau das, was ich brauche.
Danach drehe ich noch eine Runde durch das Thermal- Hallenbad. Mein Favorit
wird das kleine 40 Grad warme Becken - hier lässt es sich gemütlich mit den
anderen Gästen plaudern. Anschließend ist es an der Zeit, die Stadt zu
erkunden. Im Jahre 1795 ließ Graf Festetics den Ort zum Heilbad ausbauen,
indem er verschiedene Badehäuser und Kureinrichtungen errichten ließ.
Heutzutage besuchen jährlich etwa 900.000 Urlauber das 6.000-Seelen-Dorf.
Hier gestatte ich mir einen kurzen Gedanken an zuhause. In einem kleinen
Laden kaufe ich Mitbringsel - für die Daheimgebliebenen.
Was mir an diesem Abend ganz besonders auffällt, ist, dass ich ohne
Zwischenstopp durch die Straßen spazieren kann. Im Süden ist das sonst doch
nicht üblich, oder? Die Ungarn sind zwar freundlich und hilfsbereit, aber
eben auch eher zurückhaltend. Sehr angenehm. Mit einem seeligen Lächeln
sinke ich an diesem Abend in meine Kissen und bin rundum zufrieden.
Tag 3: Von Nord nach Süd
Heute möchte ich die Natur genießen. Gleich nach dem reichhaltigen
Frühstücks- Buffet mache ich mich auf den Weg ins Balaton-Oberland. Leider
regnet es. Mir vermiest es nicht die Laune - als Niederrheiner bin ich
Kummer gewöhnt. Es heißt, die Basaltformationen bei Monoszló seien die
Spielwürfel oder Stäbchen von Riesen. Wer es genauer wissen möchte, besucht
das geologische Präsentationszentrum.
Sportliche Menschen sollten einen Abstecher zu dem neu angelegten Golfplatz
in Balatonudvari in Erwägung ziehen, der im Spätsommer komplett bespielbar
sein wird (18-Loch). Mich dagegen reizt die Tapolca Seehöhle. 75 Stufen
abwärts - und ich befinde mich in einer anderen Welt. Durch die hohe
Luftfeuchtigkeit und Staubfreiheit, ist die Luft außerordentlich sauber. Die
Führerin erzählt, dass sie als Kind viele Stunden in dieser Höhle verbracht
hat. Die Luft habe ihr Asthma geheilt. Einen Teil der Wasserfläche kann mit
Booten befahren werden. Ich kann mich kaum sattsehen an dem blau
schimmernden Wasser und der mystisch anmutenden Unterwelt.
Weiter geht es zur wunderschönen Halbinsel Tihany. Ich genieße die ruhige
Ausstrahlung, die die Benediktiner Abtei in dem gleichnamigen Örtchen
ausstrahlt. Flora und Fauna gelten als einzigartig. Ganz in der Nähe liegt
Balatonfüred, das „Mekka der Herzkranken“. Im 18. Jahrhundert wurde der Ort
zum Heilbad erklärt. Damit begann der Aufstieg zum Erholungsort des Adels
und Großbürgertums. Prachtvolle Bauten zeugen auch heute noch von den
berühmten Dichtern, Schriftstellern und Politikern, die hier ihre
Sommerurlaube verbrachten.
Nicht zu vergessen die Kossúth-Quelle, die mehr als 100 Jahre alte
Parkanlage und die Targore-Promenade.
Nach einem Stadtrundgang bringt mich die Fähre auf die Südseite des
Balatons. In Siófok nehme ich ein Zimmer im Hotel Azúr. Für Fisch-Liebhaber
ist die Region ein Paradies. Zander im Ganzen gebraten oder eine leichte
Fischsuppe aus Karausche, Brachsen, Wels und Karpfen - ich kann beides
empfehlen. Als Nachtisch bietet sich in Ungarn Quark-Palatschinken oder
heißer Kirschkuchen an. Ich entscheide mich für Palatschinken. Zum Schluss
noch der typisch ungarische Palinka. Gute Nacht.
Tag 4: Tradition und Kultur
Morgens um 10 Uhr schon Schnaps? In Ungarn sollte man nicht zimperlich sein.
Mit Palinka und Schmalzbrot wird man in Rádousztai empfangen. Wilde Kerle
auf feurigen Pferden liefern eine rasante Show ab. Ich schiele schon auf den
Weinkeller. Hier gibt’s die nächste alkoholische Kostprobe.
Trocken geht’s am Nachmittag weiter. Mein Weg führt mich nach Keszthely.
Kultur ist angesagt. Die Stadt mit dem unaussprechlichen Namen ist eine der
ältesten am Balaton. Jahrhundertelang residierte hier die Familie Festetics,
deren beeindruckende Bauten ich schon aus Hévíz kenne. Das pompöse
Barockschloss zeugt von dem Reichtum dieser Aristokraten. Heute wohnt hier
niemand mehr - aber Touristen stoßen in dem Museum auf allerlei
Historisches. Besonders beeindruckt bin ich von der riesigen Bibliothek.
Am Abend heißt es für mich Abschied nehmen. Vorläufig. Denn ich bin mir
jetzt schon sicher, dass ich unbedingt noch einmal wiederkommen möchte.
Pünktlich hebt die Maschine vom Balaton-Airport ab.
Wohlbehalten, entspannt und um viele positive Eindrücke reicher lande ich am
Niederrhein. Es regnet. Zuhause. Als ich meine Haustüre aufschließe,
wartet eine kleine Überraschung auf mich. Alles ist aufgeräumt und der
Kühlschrank ist voll. Wer hätte das gedacht: Ohne Mama geht es auch.
Helge Engelien
Der Balaton
Der Balaton (Plattensee) ist mit seinem 596 Quadratkilometer großen
Wasserspiegel der größte Binnensee Mittel- und Westeuropas. Von Südwesten
nach Nordosten erstreckt sich der See über 75 Kilometer Länge, seine
schmalste Stelle befindet sich mit 1.500 Metern bei der Halbinsel Tihany.
Der Balaton ist einer der saubersten Seen dieser Größe in Europa und die
Region, ein echtes Naturparadies.
Niederrhein Nachrichten