Entsetzen und Unsicherkeit

24.04.2009 / Lokalausgabe

Thorsten Lenze Weeze. Gegensatz pur: Während Verantwortliche von Bezirksregierung, Flughafen und Gericht vor Arbeit rotieren, wissen die Menschen an den Check-in-Schaltern, der Gepäckabfertigung, in den Reinigungsteams oder in den Taxis vor dem Flughafen Niederrhein nicht mal, ob sie in ein paar Tagen überhaupt noch eine Arbeit haben. Sie machen derzeit ein Wechselbad der Gefühle durch.

Absolute Rechtssicherheit besteht weiterhin nicht Es herrscht Unsicherheit auf der ehemaligen Militärbasis. Auf den Beschluss der Oberverwaltungsgerichtes Münster (OVG) kündigte Ryanair an, man wolle den Standort aufgeben. Der Airport war massiv in der Existenz bedroht. Die Bezirksregierung reagierte, erteilte die endgültige Betriebserlaubnis. Jetzt ist der OVG-Beschluss wieder ausgehebelt. Ein Hin und Her. Und absolute Rechtssicherheit besteht weiterhin nicht.

Die Fraktionen im Kreistag reagierten gestern zunächst entsetzt: Ulrike Ulrich (CDU) zeigte sich „fassunglos, ob der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes. Wir halten sie für fatal mit Blick auf die Perspektive des Flughafens und das riesige Potenzial der Arbeitsplätze, die zur Disposition stehen." Auch die FDP zeigt sich erbost über das mögliche „Ende von weit über tausend Arbeitsplätzen." Der SPD-Vorsitzende Roland Katzy findet den Beschluss „erschreckend." Einzelinteressen stünden vor Allgemeininteressen, die Entscheidung „absolut nicht zu verstehen." Selbst die Grünen, von Beginn an flughafenkritisch, haben keinen Grund zum Jubeln. „Freuen kann sich niemand über die Situation", so die Kreisfraktionsvorsitzende Ute Sickelmann, „obwohl die Verantwortlichen den Flughafen ohne Rechtsgrundlage vorangetrieben haben und für die Folgen dastehen müssten." Schadenfreude sei aber unangebracht.

Wie existenzbedrohend die Situation ist, zeigen Einschätzungen der Arbeitgeber. „Ich habe 100 Mitarbeiter in der Passagier- und Flugzeugabfertigung sowie im Reinigungsbereich", sagt Joe Sweetsir von „Surf2fly". Seine Angestellten seien nervös und aufgeregt. „Ich sage ihnen, sie sollen die Ruhe bewahren." Allerdings deutet der gebürtige Amerikaner auch an, was passiert, wenn der Flughafen nicht mehr existiert – „dann überlege ich, zurück in die USA zu gehen." Die 100 Jobs sind dann ebenfalls weg.

Rüdiger Cox, Geschäftsführer des gleichnamigen Taxiunternehmens sagt, sein Unternehmen sei zwar auf breite Füße gestellt, wenn aber der Flughafen dicht mache, müsse er Personal abbauen. „Wir hatten in den vergangenen Jahren eine relative Sicherheit. Es gab mehr Flüge, wir haben mehr Fahrzeuge angeschafft und mehr Mitarbeiter angestellt." 15 Angestellte hat er derzeit. Unter anderem eine Vollzeitkraft im Terminal. Seine Leute hätten nun „Angst", sagt Cox, der auf baldige Rechtssicherheit hofft.

Etwas flexibler ist dagegen Jürgen Mauer. Der Chef eines Personaldienstleisters hat derzeit 36 Mitarbeiter in der Gastronomie und im kaufmännischen Bereich in Weeze beschäftigt, könnte seine Angestellten auch an anderen Standorten einsetzten. Aber: „Wir sind in Vorleistung getreten, haben in eine eigene Niederlassung investiert." Mauer hatte nach der Ryanair-Ankündigung, den Flugbetrieb zu erweitern, auf das Sommergeschäft gehofft. Er lobte die „tolle Entwicklung in den letzten Wochen und Monaten", doch „Rechtssicherheit fehlt uns, seit wir hier tätig sind."

Während Arbeitgeber und Mitarbeiter in Wartestellung sind, üben sich die Flughafengegner in Zurückhaltung. Sie waren gestern entweder nicht erreichbar, oder wollten die Entwicklung nicht kommentieren. Um die Passagiere, Flugzeuge, Gepäck, Sicherheit und Sauberkeit am Flughafen Niederrhein kümmern sich 2500 Mitarbeiter. 

NRZ