„Wir lassen uns nicht unterkriegen"

25.04.2009 / Lokalausgabe

Thorsten Lenze Astrid Hoyer-Holderberg Weeze.
Angst trifft Kampfbereitschaft am Flughafen Niederrhein: Eine Unterschriftenliste geht rum, Mitarbeiter aus allen Bereichen unterschreiben die Bitte an Ryanair-Chef Michael O'Leary, er möge Weeze treu bleiben. Es gibt eine Fußball-Mannschaft am Airport – das Team wird heute mit eigens angefertigten T-Shirts auflaufen. Darauf steht: „Pro Flughafen". „Wir geben nicht auf", heißt es am Check-in, in den Reisebüros, in den Mietwagenzentralen. Dennoch: den Menschen steht die Sorge ins Gesicht geschrieben.

 „Dann sind wir beide arbeitslos" Kein Kollege sagte gestern „nein", als Karin Gertzen, Transferfahrerin zwischen Weeze, Ruhrgebiet und den Niederlanden, um Unterschriften bat. „Wir sind doch alle involviert" sagt die 48-Jährige, „sehr viele Existenzen stehen auf dem Spiel." Am Infocounter steht Marion Calvert. Seit zweieinhalb Jahren arbeitet sie am Airport, ihr Mann ist ebenfalls hier beschäftigt, wartet Flugzeuge. „Wenn der Flughafen schließt, dann sind wir beide arbeitslos", sagt die zweifache Mutter. „Die Situation geht an die Nerven."

Verkehrsleiter Peter Esser sieht aus wie einer, den so schnell nichts umhaut. Verspiegelte Sonnenbrille, weißes Oberhemd, muskulös. „Zwölf Jahre war ich bei der Nato", sagt der Mann, der einen sicheren Flugverkehr gewährleistet. Dann wechselte er vom Militär in die zivile Luftfahrt. „Jeder Flughafen hat meinen Posten nur einmal zu vergeben. Wenn das hier kaputt geht, dann muss ich bei Lidl an der Kasse arbeiten." Gerade hat er ein Haus und ein neues Auto finanziert, vor zwei Wochen wurde der zweite Sohn geboren. „Das geht an die Substanz", sagt Esser.

Gedrückte Stimmung auch bei den Flugabfertigern – Markus Rehm, 23, macht sich „natürlich Sorgen. Aber nach neuen Jobs suchen wir noch nicht. Der Laden läuft doch." Deshalb bleibt die Hoffnung, dass das auch so bleibt.

Bei den Mitarbeitern der Reisebüros brodelt schon die Gerüchteküche. Könnte Germanwings einspringen, wenn Ryanair geht? Was ist mit der Lufthansa? Vor allem stellen sich die Kollegen hier eine zentrale Frage: „Was geht vor – das Recht vieler oder das Recht eines Einzelnen?" Karin Eisenach ist auch um die Außenwirkung der aktuellen Debatte besorgt: „Uns rufen Kunden an und fragen, ob sie Montag noch fliegen können."

 Eine Kollegin erzählt, wie sie von Fremden erfährt, dass sie ja jetzt ihren Job verliere. „Aber", fasst Ursula Bass zusammen, „wir lassen uns nicht unterkriegen!"

Was alle Flughafen-Angestellten eint, ist die Wut auf diejenigen, die den Eilantrag beim Oberverwaltungsgericht in Münster gestellt haben. Doch wer ist das eigentlich?

Heike van Straelen, Vorsitzende der Aktionsgemeinschaft gegen Fluglärm und Luftverschmutzung: „Wir sind nicht der Antragsteller." Sie fühlt sich somit nicht in der Kritik. Dennoch kann sie sich mit den Zielen identifizieren: „Wir wollen Zeiten, wie sie an allen Großflughäfen gelten. Ich kann die Aufregung nicht verstehen." Auch Ahmet Siegel will nicht derjenige gewesen sein, der sich ans OVG gewandt hat. Trotzdem sei er schon beim Brötchenholen angegangen worden. „Dabei bin ich nicht einmal Flughafengegner." Er habe nur etwas etwas gegen die Genehmigung in der vorliegenden Form. Grundsätzlich habe keiner das Recht, einen Bürger anzugreifen, der sein Recht einfordere. „Wer den Antrag stellt, ist nicht verantwortlich für die Situation. Die Folgen sind bedauerlich, waren aber schon vorher bekannt. Schuld haben der Regierungspräsident und seine Truppe." Der Bezirksregierung liege ein nach Siegels Meinung „betriebswirtschaftlich tragfähiges Konzept" von ihm für den Flughafen vor, das diese aber ignoriere.

Juristen arbeiten am Wochenende

Bernd Hamacher, Sprecher der Bezirksregierung, bestätigte: „In der Tat ist uns vor längerer Zeit ein Gesamtkonzept geschickt worden." Es enthalte Vorschläge, an Wochenenden einige Flüge zu streichen, Flugrouten zu verlegen bis hin zu Schallschutz-Fenstern im Umfeld. „Alles schön und gut, aber keine Lösung für unser aktuelles Problem. Ryanair sagt, ihm fehlen genau die 30 Minuten in der Nacht, um den dritten Umlauf der Flugzeuge zu organsieren". Noch habe die Bezirksregierung „keine Strategie. Die Möglichkeit der definitiven Genehmigung statt der bisher vorläufigen für den Flughafenbetrieb „wird von unseren Juristen geprüft". Zehn Tage sind knapp. Die Bezirksregierung nimmt die Lage ernst. Ihre Juristen arbeiten sogar an diesem Wochenende durch. Landrat Wolfgang Spreen sprach gestern den besorgten Mitarbeitern aus der Seele: „Der Airport Weeze ist der einzige, der wächst, im ersten Quartal dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahr um 47,2 Prozent." Gerade deshalb empört es die Angestellten, wenn der Flughafen vor dem Aus stehen sollte.

Die Flugzeugabfertiger machen sich – wie alle anderen Mitarbeiter – Sorgen um die Zukunft. Foto: ddp

NRZ